19.04.2021
Hybridsitzungen des Gemeinderates – Bürgermeister demnächst alleine im großen Saal?

Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung

Am 04.03.2021 wurde das Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, ...und weitere Gesetze zur Bewältigung der Corona-Pandemie“ veröffentlicht. Bereits im Februar diesen Jahres wurde durch die SPD-Fraktion des Gemeinderats ein Prüfantrag gestellt, der auf solche Hybridsitzungen hinauszielte. Weil aber schon zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass es ein Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung hinsichtlich von „Online-Gemeinderatssitzungen“ geben sollte, wurde dieser Antrag zurückgezogen. Nun liegt sogar eine Zusammenfassung der Gesetzbegründung und ergänzende Anwendungshinweise vor. Das Gesetz zielt demnach nicht nur auf die Besonderheiten der Corona-Pandemie-Zeit ab, sondern auch auf die Vereinbarkeit eines kommunalen Ehrenamtes mit Familie und Beruf. Diese soll durch die Möglichkeit von Hybridsitzungen verbessert werden. Ist das aber alles so einfach, wie wir uns das vorstellen? Bei allen Einschränkungen, die die Coronapandemie uns abverlangt, dürfte der damit verbundene Digitalisierungsschub für das gesellschaftliche, berufliche und natürlich auch politische Leben nicht zu unterschätzen sein. Also warum sollte eine Gemeinderatssitzung nicht auch „online“ möglich sein, wenn sich derzeit regelmäßig die Länderchefs mit der Kanzlerin auch online treffen und gravierende Maßnahmen für das gesamte Land beschließen?

Einfach geht anders!

So einfach ist es jedoch gar nicht, denn es gibt die sogenannte Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes, den das Kommunalverfassungsrecht vorsieht. Das ist ein Ausfluss des Demokratieprinzips und daran sind auch, gemäß Artikel 28 des Grundgesetzes, die Länder und Kommunen gebunden. Teil der Verfahrensgrundsätze des Kommunalrechts ist der Öffentlichkeitsgrundsatz. Er hat Repräsentations-, Integrations- und Kontrollfunktion und begrenzt damit die Möglichkeiten des Einsatzes digitaler Techniken/Hilfsmittel für öffentliche Sitzungen. Es geht um Überzeugungs- und Entscheidungskultur die von Körpersprache, Rhetorik und Darbietung geprägt sind.

Mir geht s bei den Sitzungen um Körpersprache, Rhetorik

 

Es muss Saalöffentlichkeit herrschen – jedermann muss während der gesamten Sitzung eine Teilnahmemöglichkeit eingeräumt werden. Es ist nicht ausreichend, dass nur die abschließenden Entscheidungen in der öffentlichen Sitzung gefasst und bekanntgegeben werden. Somit steht fest, dass bei öffentlichen Sitzungen, die in Form einer Videokonferenz veranstaltet werden, Bürger*innen und Medien die Teilnahme an dieser Sitzung zeitgleich in einem öffentlich zugänglichen Raum ermöglicht werden muss.

Ich möchte nicht, dass der Bürgermeister mit dem Publikum nachher allein im großen Saal sitzt

Das Digital-Paket „Hybridsitzungen“ setzte sich aus mehren Punkten zusammen. Ad 1 – die Grundsatzfrage: Will der Gemeinderat überhaupt Hybridsitzungen, ad 2 – Was und wie grenzen sich Hybridsitzungen ab, also wann darf man online sich dazu schalten und wie viele Zuschaltungen darf es max. geben, sowie die Frage, ob Hybridsitzungen auch für Ausschüsse zugelassen werden. Der letzte Punkt – also ad 3. – die Finanzen. Natürlich gibt es Hybridsitzungen nicht zum Nulltarif. Die Technik kann nicht durch die Gemeinde gestellt werden, somit müssen externe Anbieter entlohnt werden. Hier geht man derzeit von Kosten in Höhe von 900-2.000 Euro pro Sitzung aus oder alternativ eine Personalaufstockung der IT-Abteilung innerhalb der Verwaltung.

Live-Stream

Die Verwaltung stellte in diesem Tagesordnungspunkt auch noch einmal definitiv fest, dass die Regelung einer Hybridsitzung keine Freigabe für Live-Stream-Angebote beinhaltet. Hier werden durch die Gemeinde weiterhin datenschutzrechtliche Bedenken angeführt, die anscheinend nicht gewahrt werden können. Norbert Manhart FREIE WÄHLER gab trotzdem noch eines zu Bedenken, dass gerade jetzt im Zeitalter der Pandemie man nochmals über das Thema Live-Stream nachdenken sollte.

Viele Zuhörer kommen teilweise nur für ein Thema zur Sitzung (im März fast 100 Bürger*innen), diese könnten sich so online dazu schalten und damit die „Belastung“ im Punkto „Personenanzahl pro Quadratmeter“ in der Halle niedrig halten.

Der Gemeinderat beschloss einstimmig einen Prüfauftrag zur Durchführung von Hybridsitzungen gem. den oben genannten 3 Punkten als Gesamtpaket – also Klärung der Machbarkeit, der Kosten und Rahmenbedingungen – erst dann soll ein Beschluss gefasst werden.