13.12.2022
Energiewende Landkreis Freising

Begrüßung durch den Vorsitzenden

Manfred Holzer begrüßte die zahlreich erschienenen Teilnehmer insbesondere den Referenten Helmut Petz, der gesundheitlich angeschlagen nach Neufahrn gereist war. Unser 1. Vorsitzender verwies auf die Zielkonflikte bei der Energiewende, z.B. hinsichtlich der Verwendung von Flächen im Landschaftsschutz. Er unterstreichte die Notwendigkeit des Energieeinsparens und sah die Klimaneutralität bis 2035 als sportliche Herausforderung für alle Beteiligten.

Krisen nahmen zu - großer Dank an alle

Helmut Petz erklärte, dass er sich aktuell gerade mit den Grußworten zum Jahreswechsel beschäftigt und überlegt, was wohl das charakteristischste Ereignis in 2022 war. Es gab eine Vielzahl an Herausforderungen in diesem Jahr, u. a. Corona, Ukrainekrieg, Flüchtlingswelle und die Klimawende. Leider gab es keine Ablösung einer Krise durch die andere, sondern eine Zunahme bzw. ein Nebeneinander vieler Herausforderungen. Einen großen Dank richtete er an die vielen Menschen, die geholfen haben diese Herausforderungen zu stemmen. Es war ein gutes Zusammenspiel von Gemeinden, Hilfsorganisationen, freiwilligen Helfern aber auch von zahlreichen Mitarbeitern in seinem Haus, die unermüdlichen Einsatz gezeigt hatten.

Klimakonferenz auf Landkreisebene

Der Landrat erklärte, dass wohl die größte Herausforderung in den nächsten 20 Jahren die Bewältigung der  Klimakrise sein wird. Im Mai gab es eine Klimakonferenz auf Landkreisebene. Fachlich begleitet wurde diese vom Potsdamer Klimaforscher Prof. Dr. Rahmstorf. Er erklärte die Klimarisiken wie folgt:

 

Man muss spätestens jetzt die Kurve nehmen. Es sei wie beim Autofahren, wenn man zu spät die Kurve nimmt, dann ist der große Unfall mit schwerwiegenden Folgen unausweichlich.

Bei der Klimaerwärmung handelt es sich zwar um eine globale Krise, aber wichtige Entscheidungen müssen auf kommunaler Ebene getroffen werden, v.a. von den Gemeinden, weil diese die Bauleitplanung in den Händen haben. Beispielsweise für Photovoltaik auf Freiflächen benötigt man ein Bebauungsplanverfahren, das nur von Städten und Gemeinden eingeleitet werden kann.

Helmut Petz nannte drei zentrale Fragen, nach denen er auch seinen Vortrag aufgebaut hatte:

1. Wo wollen wir hin?

2. Wo stehen wir?

3. Wie kommen wir dahin?

1. Wo wollen wir hin?

Der Landkreis hatte bereits 2007 folgenden zukunftsweisenden Beschluss gefasst: Der Landkreis Freising erkennt die Notwendigkeit der Energiewende, möchte bis 2035 klimaneutral sein und auf diesem Weg auch die Bürger mitnehmen.
Berücksichtigt werden soll dabei nicht nur der Strom sondern auch die Wärmeenergie. Leitprinzipien zur Erreichung dieses Zieles sind dabei:

  • Reduzierung des Energieverbrauchs
  • Effiziente Energiequellen
  • Nachhaltige Energiequellen

In diesem Zusammenhang ist besonders erwähnenswert, dass die Lebensqualität und regionale wirtschaftliche Entwicklung durch die Maßnahmen zur Klimaneutralität nicht beschränkt, sondern sogar gesichert werden sollen. Klimaschutz bedeutet nicht Einschränkung der Lebensqualität sondern eine Verbesserung.

2. Wo stehen wir?

Die Halbzeit ist bereits herum und aktuell werden 76 Prozent des Stroms selbst erzeugt, was sich gut anhört. Jedoch sind wir real erst bei 30 Prozent, wenn wir zusätzlich die Verbrauche der Eigenenergiequellen berücksichtigen.
Bei der Wärme sind wir derzeit bei etwa einem Viertel des notwendigen Ausbauzustandes. Für die zweite Halbzeit bleibt somit noch einiges zu leisten und dies ist die Überleitung zur dritten Fragestellung...

3. Wie kommen wir dahin? (bzw. was muss noch gemacht werden?)

3.1 Windkraft

Aufgrund der jahrelangen Beschränkung durch die 10-h-Regelung haben wir derzeit nur zwei Anlagen im Landkreis Freising. Notwendig sind aber 30 Windkraftanlagen.
Zum Vergleich: Der Landkreis Hof hat um die 140 Windkraftanlagen. Entscheidend bei der Planung der Windräder ist das „Wo“. So sind z.B. Anlagen nahe Autobahnen oft sehr verträglich und wenig belastend für Mensch und Natur. Ferner werden 400 bis 500 Hektar für Photovoltaik in der Freifläche benötigt. Eine Potentialanalyse hat ergeben, dass sogar 10.000 Hektar im Landkreis möglich wären.
Landrat Petz war der Meinung, dass wir diese Ziele erreichen können und auch schaffen müssen. Ansonsten vergeben wir im Landkreis die Möglichkeit selbst zu entscheiden, welche Anlagen wo entstehen werden. Höhere Instanzen würden dann für uns entscheiden.

Im Februar wird es Gesetz

Das Bundesverfassungsgericht hat auf die Initiative von jungen Klimaaktivisten den Bundesgesetzgeber beauftragt, Maßnahmen zu Beschränkungen der Klimaerwärmung zu beschließen. Folgende Regelungen eines Bundesgesetzes wird deshalb am 1.2.2023 in Kraft treten werden:

Die Beseitigung des Mangels an Flächen für Windenergie muss durch die Länder umgesetzt werden. 1,8 Prozent der Fläche sollen bis 2032 für Windenergie (Zwischenziel 2027:  1,1 Prozent) zur Verfügung stehen.

Sollte dies nicht erreicht werden, dann kann jeder der möchte, eine Anlage erstellen, ohne dass die Gemeinde noch steuern kann. Die Gemeinde sollte daher Konzentrationsflächen ausweisen, falls dies noch nicht geschehen ist.

Erste Termine und Ziele stehen fest

Wenn wir das vom Bund vorgegebene Ziel im Freistaat verfehlen, dann gibt es eine Privilegierung für den Bau von Windkraftanlagen ähnlich wie man es bei der Landwirtschaft kennt. Im Prinzip kann dann jeder Grundstückseigentümer Anlagen erstellen, wenn er die notwendigen Abstände nachweisen kann.
Herr Breu vom Regionalen Planungsverband hat erklärt, dass die Hauptgebiete für Windkraftanlagen im Wald sein werden.
Die Regionalen Planungsverbände wurden angewiesen in Zusammenarbeit mit den Kommunen Vorrangflächen für Windkraftanlagen auszuweisen.
Manche Gemeinden haben schon vor Jahren Pläne entwickelt, wo im Gemeindegebiet Windkraftanlagen entstehen können. Vielfach sind jedoch noch keine Planungen vorhanden. Dies sollte dann aber schleunigst in Angriff genommen werden, damit man selbst noch steuern kann, wo die Anlagen hinkommen. Folgende Fristen sind zu berücksichtigen:

  • bis 01.02.2023 -> Beschlüsse für die Erstellung von Planungen müssen in den Gemeinderäten gefasst sein.
  • bis 01.02.2024 -> Die Pläne müssen fertig gestellt sein.
  • bis 31.12.2027 -> Umsetzung der Vorgaben

3.2 Freiflächenphotovoltaik:
Derzeit gibt es einen „wahren Run“ auf Projekte. Interessant sind v.a. die Landschaftsschutzgebiete, da die Nutzungskongruenz mit der Landwirtschaft gering ist. Ein weiterer Grund auf landwirtschaftliche Flächen zu verzichten sind die hohen Bodenpreise für Ackerland.
In Schutzgebieten gilt folgender Grundsatz: „Landschaftsschutz vor anderen baulichen Nutzungen.“ Es gibt Ausnahmen wie z.B. Stromleitungen. Auch Photovoltaik wäre denkbar, da diese Energieform von überragender Bedeutung ist. Dennoch geht man nicht ohne Not in geschützte Gebiete, wenn es auch anders geht. Ein Großteil der 10.000 Hektar (siehe oben) sind ohnehin nicht in den Landschaftsschutzgebieten. Es ist aber auch so, dass Landschaftsschutz durch Photovoltaik zerstört wird. Teilweise entstehen sogar Synergien zwischen Landschaftsschutz und nachhaltiger Energiegewinnung.

Die sogenannte Pfiffig-Studie (Potentialflächenanalyse) des Landkreises wird demnächst offiziell den Gemeinden übergeben. Das Landratsamt wird die Gemeinden in ihren Bestrebungen zum Klimaschutz unterstützen. Der Kreistag wird entscheiden müssen, ob Landschaftsschutzgebiete Befreiungen für Photovoltaik bekommen werden.

Helmut Petz sieht zudem jeden Bürger in der Verpflichtung die Klimaziele zu erreichen. Es gibt Anreize für Nachhaltigkeit und oft geht es auch ohne Qualitätsverlust. Viele Autofahrten können durch den ÖPNV und das Fahrrad ersetzt werden. Letztes Verkehrsmittel fördert zudem die Gesundheit.

Helmut Petz beendete den Vortrag und Manfred Holzer leitete zu den Anfragen über.

Wie kann man sich als Bürger an der Energiewende beteiligen? (Z.B. Bürgerenergiegenossenschaften, BEG)

  • Landkreis Hassberge: Dort gibt es eine landkreisweite Energiegesellschaft mit vielen Beteiligten wie Bürger, Gemeinden und Stadtwerke.
  • In Allershausen will man eine Windenergiegenossenschaft gründen.

Vielleicht funktioniert mit regionalen Bürgergesellschaften die Energiewende schneller, weil die Rendite nicht so stark im Vordergrund steht wie bei privaten Investoren. Z.B. das Bayernwerk wird nur etwas machen, wenn es sich rechnet.

Wie kann man das Problem mit der Gegnerschaft lösen?

Es hat sich schon etwas im Bewusstsein der Bevölkerung geändert. Die Bürger wissen, dass wir selbst Energie produzieren müssen um Ausfälle zu vermeiden und um den hohen Energiepreisen, die aktuell durch fossile Energien versucht werden, zu begegnen.

Geht es um genau um die Zahl 30 bei der Neuerrichtung von Windkraftanlagen?

Es geht nicht um eine konkrete Zahl von neuen Anlagen sondern um den Abbau des Mangels an Flächen. Mit der Ausweisung von Flächen ist aber noch nicht entschieden, wo die Anlagen konkret gebaut werden. Fix sind aber die 1,8 Prozent für Windkraft.
Es gibt aber eine Änderung zur bisherigen Ausweisungspraxis von Konzentrationsflächen: Künftig dürfen auch dort Flächen eingeplant werden, wo es Einschränkungen z.B. durch den Vogelschutz (Stichwort Rotmilan) gibt.

Feststellung eines Bürgers:

Die Leitungen für bereits fertiggestellte Anlagen werden nicht zeitnah erstellt, so dass die Energie von Photovoltaikanlagen lange nicht genutzt werden kann.

Verzögerung durch langwierige Planungsverfahren?

Der Landrat erklärt, dass geordnete städtebauliche Entwicklungen notwendig seien, damit man nicht den Investoren das Feld überlässt. Man braucht fundierte Grundlagen, wo geeignete Flächen in welchem Umfgang vorhanden sind. Das Motto lautet: „Zuerst das Konzept und dann die Entwicklung.“ Ein gewisse Prozessdauer und auch der notwendige Einbezug der politischen Gremien können nicht abgekürzt werden. Ein Jahr ab Prozessbeginn ist in den meisten Fällen notwendig. Die Gemeinde plant und der Landkreis entscheidet über die Entwicklung und Werthaltigkeit der Landschaftsschutzgebiete. Die zwei Schlüssel (Gemeinde und Landkreis) müssen zusammenpassen, sonst wird die Ausweisung der Flächen nicht funktionieren.

Argumente der Windenergiegegner ->  Vogelschutz, Lärm und Schattenwurf

Vieles ist gesetzlich geregelt. Es gibt feste Immissionswerte. Das Bundesimmissionsschutzgesetz regelt, ob eine Anlage gebaut werden kann oder nicht.
Die Mindestabstände für heutige Anlagen liegen bei 650 bis 700 Meter. Der Bayerische Gesetzgeber bestimmt sogar 1.000 Meter Abstand, also mehr als die Mindestabstände (Friedensangebot). Generell wird aber jeder Standort von Physikern nochmals gesondert gerechnet und bewertet.
Zum Vogelschutz gibt es keine einheitlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Gefährdet sind insbesondere Fledermäuse und schwere Vögel. Die Anlage haben Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h. Kleine Vögel schaffen es ganz gut dem Rotor auszuweichen, nicht aber große Vögel.

Gibt es für die Effizienz von Windkraftanlagen besonders in Hinblick auf die hohe Ausbeute von off-Store-Anlagen im Meer Vorgaben bzw. Richtlinien?

Es gibt einen bayerischen Windenergieatlas, der abbildet an welchen Standorten Anlagen effizient sind. Die Kartierung zeigt, dass bspw. das Voralpenland wenig effizient ist. Ferner gibt es in München wenig Potenzial für Anlagen aufgrund der hohen Siedlungsstruktur. Deshalb hat der Freistaat die Regionalen Planungsverbände beauftragt, das Thema zu bearbeiten. Möglich ist, das der Landkreis Freising sogar mehr als die erwähnten 30 Anlagen erstellen muss, weil andere Regionen nicht das Potenzial für ausreichend Anlagen haben.

Wurde in Mintraching durch die Herausnahme aus dem Landschaftsschutzgebiet ein Fehler bei der Planung der Freiflächenanlage gemacht?

Ein Fehler ist nicht die Nutzung der Fläche mit Photovoltaik, sondern die Herausnahme aus dem Landschaftsschutzgebiet. Die Herausnahme bedeutet, dass die Fläche auf Dauer für gewerbliche Nutzung freigeben ist, selbst dann wenn die Fläche nicht mehr für regenerative Energie genutzt werden wird. Für den Landkreis ist entscheidend, wie sensibel ein Landschaftsschutzgebiet ist. Berücksichtigt werden muss auch, dass man mit Photovoltaik sogar Flächen im Landschaftsschutzgebiet aufwerten kann (siehe oben). Derzeit gibt es keine festen Kriterien für die Photovoltaiknutzung im Landschaftsschutzgebiet. Der Landkreis wird wohl Infrastrukturachsen entwickeln. Der Landrat merkt an, dass 28 Prozent der bundesdeutschen Fläche im Landschaftsschutzgebiet sind.

Rechtliche Bedeutung der Pfiffig-Studie?

Die Studie wurde von Studenten entwickelt und im Anschluss noch überarbeitet. Die Fläche für die geplante Erweiterung der Mintrachinger Freiflächenanlage ist in den Planzeichnungen in roter Farbe gekennzeichnet. Dies heißt, dass die Fläche für diese Nutzung nicht geeignet sei. Landrat Petz erklärt, dass dies nicht automatisch bedeutet, dass dort auf keinen Fall mehr erweitert werden kann. Die Ergebnisse der Studie müssen gutachterlich geprüft werden und es ist durchaus möglich, dass das Ergebnis eine Erweiterung zulässt. Die Pfiffig-Studie ist eine Grobanalyse, deren Festsetzungen vielfach bestätigt teilweise aber auch widerlegt werden würden. Der Neufahrner Bürgermeister hat dem Landkreis angedroht, gegen die Studie zu klagen. Der Landrat habe ihm aber erklärt, dass man gegen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht klagt, sondern sie im Bedarf fortschreibt oder überarbeitet.

Speicherlösungen für Strom z.B. bei trüben Novemberwetter

Da gibt es noch keine abgeschlossenen Lösungen, aber das Umweltministerium arbeitet aktuell intensiv an diesem Thema. Ideal sind Fahrzeuge, die die meiste Zeit stehen statt fahren und so gute Speicher wären.

 

Manfred Holzer bedankte sich beim Referenten Helmut Petz. Er hatte auch Hubert Aiwanger als Referent zu diesem Thema eingeladen und hofft auf einen Besuch im neuen Jahr. Der Vorsitzende überreicht ein Geschenk von der Confiserie Heilgemair. Ferner sprach er die Einladung aus, zu den politischen Veranstaltungen der FREIEN WÄHLER vor Ort zu kommen. Die Kommunalpolitik lebt von einem offenen Diskurs zwischen Bürgern und Politikern.

Und ich bedanke mich bei Thomas Seidenberger für die sehr umfangreiche Schriftführung beim Vortrag, leider konnte ich selbst an diesem Tag nicht teilnehmen. Aber mit einer solch guten Zuarbeit kann ich sehr gut leben und arbeiten. 

D A N K E

Bodo Pfeiffer
Presse- und Öffentlichkeitsreferent